Nachhaltige Banken im Interview: Dieses Mal mit der Bank für Sozialwirtschaft AG

Bild: Foto: Bernd Arnold – Hauptsitz der Bank fuer Sozialwirtschaft am Konrad-Adeuaer-Ufer in Koeln, Deutschland, Europa, 2017.

Im Interview ist Carsten Graßhoff, Teamleiter Institutionelle Wertpapierberatung der Bank für Sozialwirtschaft AG. Wir wollten von Carsten Graßhoff wissen, worin die Spezialisierung der Bank liegt, welche Kund*innen die Bank fokussiert und wie sie mit dem Thema Nachhaltigkeit umgeht.

BOERSE-N.de: Worin liegt die Spezialisierung Ihrer Bank bzw. wofür stehen Sie?

Bild: Carsten Graßhoff, Teamleiter Institutionelle Wertpapierberatung der Bank für Sozialwirtschaft AG

CARSTEN GRAßHOFF: Die Bank für Sozialwirtschaft AG ist seit bald 100 Jahren Finanzpartner von Einrichtungen, Organisationen und Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft in Deutschland. Als bundesweit einzige Bank erbringen wir in unserem Kerngeschäft Bankdienstleistungen und betriebswirtschaftliche Beratung ausschließlich für Einrichtungen aus der Sozial- und Gesundheitswirtschaft. Mit unseren Kunden pflegen wir langfristige und partnerschaftliche Beziehungen. Unsere Spezialisierung liegt in den Branchen Wohnen und Pflege von Senioren, Eingliederungshilfe, Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, Bildung und Gesundheitswesen. Zu unseren Kunden gehören beispielsweise Pflegeheime und Pflegedienste, Wohnheime und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, Kindergärten und freie Schulen, Reha- und Suchthilfeeinrichtungen, Krankenhäuser und andere Organisationen im Sozial- und Gesundheitswesen, Stiftungen und Hilfsorganisationen. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege haben unsere Bank 1923 gegründet und gehören bis heute zu unseren Anteilseignern. Vor diesem Hintergrund verstehen wir uns als Teil der Sozial- und Gesundheitswirtschaft. Diese ist für eine nachhaltig zukunftsfähige Gesellschaft unverzichtbar.

Wie definieren Sie das Thema Nachhaltigkeit für sich?

Nachhaltigkeit spiegelt sich in zahlreichen Facetten unserer Arbeit wieder. Die offensichtlichste Facette ist die soziale Nachhaltigkeit, welche bewusst als ganz starkes Pfund in unserer Hand liegt. Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, ausschließlich im sozialen Segment aktiv zu sein. Das findet sich in unserer Kredit- und Risikostrategie und somit auch in unserem Geschäft wider. Jeder Euro auf den Einlagekonten der Bank für Sozialwirtschaft wird sozialen Kreditprojekten zugeführt. Das ist sozialer Impact pur! Sei es die Finanzierung eines Kindergartens, der Bau einer Schule oder das Betreiben eines Krankenhauses, sämtliche Projekte realisieren sich aus den Bankeinlagen auf unseren Giro-, Tages- oder Festgeldkonten. Und sollten mehr Bankeinlagen als Kreditprojekte vorhanden sein, setzen wir hohe Nachhaltigkeitsstandards bei den Eigeneinlagen der Bank an.

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Neben diesem hohen sozialen Impact haben wir weitere Dimensionen der Nachhaltigkeit in unserem Blickfeld. In zahlreichen Projekten beschäftigen wir uns in der Bank für Sozialwirtschaft mit der stetig weiteren Verbesserung nachhaltiger Faktoren. Darunter fallen selbstverständlich auch die Dimensionen Ökologie und Governance.

Für einen stärkeren ökologischen Fokus unserer BFS-Nachhaltigkeitsfonds berät uns seit dem Sommer GLS Investments bei der Portfolioauswahl. Grundlage für Anlageentscheidungen sind die gemeinsam verabschiedeten Anlagekriterien und das konsequent sozial-ökolgische Nachhaltigkeitsresearch von GLS Investments. Inzwischen sind rund 80 Prozent der Portfolien der genannten Fonds entsprechend ausgerichtet.

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit für Ihre Kunden?

Zahlreiche unserer sozialwirtschaftlichen Kunden haben das Thema Nachhaltigkeit, ähnlich wie die BFS selbst, in ihren Grundwerten und Anlagerichtlinien verankert. Es wundert nicht, dass gemeinnützige Träger wie z. B. Pflege- oder Behinderteneinrichtungen einen hohen Nachhaltigkeitsstandard von ihrer Bank voraussetzen. Sie erwarten genau das von Ihrem Partner, was auch von ihnen selbst erwartet wird. Diese Erwartungshaltung können wir erfüllen.

Welche Produkte haben Sie im Angebot und wer ist hierbei Ihre Zielgruppe?

Im Bereich der Geldanlage fordert die Regulatorik seit diesem Jahr, dass die Kunden aktiv nach ihrer persönlichen Nachhaltigkeitspräferenz befragt werden. Wir praktizieren das bereits seit vielen Jahren. Unseren BFS-Nachhaltigkeitsfonds Ertrag haben wir beispielsweise schon im Jahr 2005 aufgelegt. Für uns ist es selbstverständlich, dass unser Anlageuniversum nach nachhaltigen Gesichtspunkten gefiltert ist und man bei der Bank für Sozialwirtschaft keine Anlagen tätigen kann, die unserer eigenen Philosophie widersprechen.

Auch in der Produktentwicklung achten wir stark auf Nachhaltigkeit. Unser jüngstes Beispiel ist unsere Vermögensverwaltung GemeinwohlInvest, die speziell für gemeinnützige Organisationen und Stiftungen konzipiert ist. Der Fokus liegt hier auf der Einhaltung rechtlicher Restriktionen des Stiftungsrechts und des Gemeinnützigkeitsrechts. Außerdem berücksichtigen wir im Portfolio  unserer Kunden automatisch wesentliche Nachhaltigkeitskennzahlen und geben ihnen  regelmäßige Reportings an die Hand. In naher Zukunft werden wir unsere Kunden zudem Nachhaltigkeitsberatung für Fremdportfolios oder aggregierten Depots verschiedener Banken anbieten können. In unseren Testpiloten haben wir das bereits erfolgreich umgesetzt.

Haben Sie ein Girokonto im Angebot und falls nicht, ein vergleichbares Produkt?

Eine wesentliche Säule der Bank für Sozialwirtschaft ist der Zahlungsverkehr. Wir gehören zu den zehn Banken mit dem  größten Zahlungsverkehrsvolumen in Deutschland und somit zur kritischen Infrastruktur. Von der großen Krankenkasse bis hin zum kleinen Förderverein werden große Teile des Zahlungsverkehrs der Sozial- und Gesundheitswirtschaft über die Girokonten der Bank für Sozialwirtschaft abgewickelt. Unsere Kunden verhalten sich dabei ähnlich wie andere Firmenkunden. Die Besonderheit ist der angesprochene soziale Impact. Jeder Euro auf den Konten der BFS fließt über die Fristentransformation in die Finanzierung sozialer Vorhaben. In der Sozialwirtschaft entsteht damit ein sinnvoller Kreislauf des Geldes.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung für Sie und wie sind Sie hier bereits aufgestellt?

Für uns als Bank spielt die Digitalisierung eine große Rolle. Im Bereich der Geldanlage haben wir im letzten Jahr eine digitale Vermögensverwaltung für institutionelle Anleger aus der Sozial- und Gesundheitswirtschaft eingeführt. Eine solche smarte, digitale Vermögensverwaltung mit speziellem Fokus auf gemeinnützige Organisationen hatte es bis dahin nicht gegeben. Auch Kreditanfragen können seit dem Frühjahr bei uns online gestellt werden – egal, ob sie die Finanzierung von Immobilien, Fahrzeugen, Betriebs- und Geschäftsausstattung oder die Absicherung durch ein Aval oder eine Bürgschaft betreffen. Vor kurzen haben wir zudem eine digitale Factroing-Anfragestrecke eingeführt, die sofort die Konditionen für die Vorfinanzierung errechnet und online bereitstellt.

Welche Möglichkeiten haben Ihre Kunden, Geld bei Ihnen nachhaltig anzulegen?

Im Bereich des Anlagemanagements der Kundengelder sind wir bereits seit Jahren in der Lage, die Portfolios beispielsweise nach Ausschlusskriterien, ESG-Performance, der Einzahlung auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN (SDGs) oder dem CO2-Fußabdruck zu messen. Somit können wir unseren Kunden, egal ob bei dem Kauf eines ETF oder eines Fonds, beim Engagement in der Vermögensverwaltung oder Kauf eines einzelnen Rentenpapiers detaillierte Nachhaltigkeitsinformationen liefern. Wir sind in der Lage, alle wesentlichen nachhaltigen Anlagemöglichkeiten anzubieten. Einschränkungen gibt es im Bereich der nicht nachhaltigen Geldanlagen. Rüstungsproduzenten etc. wird man in unseren Depots beispielsweise nicht erwerben können.

Wird durch die Zinserhöhung der EZB, die steigende Inflation und eventuelle Rezession das Leben für Ihre Kunden nun komplizierter und teurer?

Das leidige Thema des negativen Zinsumfeldes hat für unsere Kunden endlich ein Ende. Es müssen keine Verwahrentgelte mehr gezahlt werden. Leider sind die neuen Themen deutlich heimtückischer, weil nicht so offensichtlich. Aufgrund der aktuellen Inflation von 10 % sieht man enorme Realwertverluste des Kapitals. Doch unseren Kunden ist der Handlungsdruck nicht immer so bewusst. Früher bei – 0,50 % Verwahrentgelt und vielleicht 2,00 % Inflation – gab es einen Gap von ca. 2,50 %, welcher mit Geldanlagen gut geschlossen werden konnte. Das Verwahrentgelt sorgte in den Gremien für Handlungsdruck, um Geldanlagen zu tätigen und die Lücke zu schließen. Die jetzigen 0 % auf den Girokonten bei gleichzeitig 10 % Inflation schlagen deutlich ins Kontor. Der Gap steht bei 10 %! Die Entscheidungsgremien fühlen sich mit 0 % Verzinsung jedoch vermeintlich in Sicherheit, da ja keine Strafzinsen anfallen. Das Problem ist: Selbst die Kunden, die das Thema für sich erkannt haben und Geld anlegen möchten, können in dem konservativen Anlageumfeld diese hohen Inflationsraten aktuell nicht wettmachen. Momentan kann der Realwertverlust nur gelindert werden. Das Ergebnis ist eine gigantische Vernichtung sozialwirtschaftlichen Kapitals in Deutschland. Gleichzeitig regen die enormen Unsicherheiten bezüglich der Energiekosten etc. dazu an, aus kaufmännischer Vorsicht zunächst Liquidität zu halten und keine Mittel in festen Anlagen zu binden. Hier den richtigen Spagat zwischen Geldanlage und Liquiditätshaltung zu finden, ist eine Balance auf dem Drahtseil. Doch nichts tun ist auch keine Lösung. Wir unterstützen unsere Kunden dabei, die richtige Balance zu finden und beraten sie bei der Austarierung zwischen Liquidität und zweckgerichteten Geldanlage.

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