Windenergie in Deutschland – Ein Interview mit Peter Szabo, Vorstandsvorsitzender der Energiekontor AG

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Wie gut oder schlecht steht Deutschland bei der Windenergie da? Was muss die deutsche und europäische Politik noch besser machen, damit wir nicht von China und den USA abgehängt werden und was macht eigentlich die Energiekontor AG und worin liegen ihre Alleinstellungsmerkmale? Ein Interview mit Peter Szabo, Vorstandsvorsitzender der Energiekontor AG über die deutsche Politik und Wirtschaft zum Thema Windenergie.

Peter Szabo, Vorstandsvorsitzender der Energiekontor AG

BOERSE-N.de: Wie würden Sie den Status quo bei der Windenergie in Deutschland beschreiben und was wünschen Sie sich von der deutschen und europäischen Politik, damit das Thema Windenergie noch mehr Fahrt aufnimmt?

Peter Szabo: Der Ausbau der Windenergie liegt unter dem möglichen Potenzial. Um die ambitionierten Ausbauziele der Bundesregierung erreichen zu können, müssen endlich die Bremsen gelöst werden, dazu gehört insbesondere eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Schätzungen gehen davon aus, dass derzeit rund 8-10 GW an Projekte in behördlichen Genehmigungsverfahren liegen. Hier müssen wir ansetzen, vereinfachen, beschleunigen und digitalisieren. Einige Vereinfachungen sind mit dem so genannten Osterpaket und einer EU Verordnung bereits auf den Weg gebracht worden, aber der ganz große Wurf steht noch aus.

In welchen Geschäftsfeldern im Bereich Windenergie sind Sie tätig?

Energiekontor ist einer der führenden deutschen Projektentwickler und Betreiber von Wind- und Solarparks. In der Projektentwicklung decken wir die gesamte Wertschöpfungskette von der Akquise bis zur Inbetriebnahme und Verkauf einschließlich Repowering ab. Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1990 haben wir über 660 Windenergieanlagen in nahezu 140 Windparks erfolgreich realisiert. Davon halten wir im Eigenbestand 38 Windparks mit einer Gesamterzeugungsleistung von rund 370 MW. Damit produzieren wir rein rechnerisch in etwa so viel grüne Energie, um alle privaten Haushalte einer Großstadt wie Hamburg ein Jahr mit Strom aus regenerativen Energien zu versorgen. 

Worin liegen Ihre Alleinstellungsmerkmale?

Energiekontor war schon immer ein Vorreiter und Pionier in der Branche der erneuerbaren Energien. Als wir vor mehr als 30 Jahren den ersten Windpark geplant und realisiert haben, wurden erneuerbare Energien noch als Nischenmarkt ohne große Zukunft belächelt; heute hat die Bundesregierung den Ausbau erneuerbarer Energien zu einem überragenden nationalen Interesse erklärt, welches der nationalen Sicherheit dient.

Uns unterscheidet vom Wettbewerb aber nicht nur unsere langjährige Erfahrung. Energiekontor unterscheidet sich besonders durch seine finanzielle Stabilität und Stärke. Denn unser Wachstum basiert auf einem organischen Wachstumsmodell. Energiekontor ist einer der wenigen, wenn nicht der einzige börsennotierte Projektentwickler, der allein aus eigener Kraft wächst. Die Basis dafür ist unser organisches Wachstumsmodell. Mit den Einnahmen aus der Stromerzeugung in unseren Eigenparks und dem kaufmännischen und operativen Management von Wind- und Solarparks für Dritte erwirtschaften wir ausreichend Liquiditätsüberschüsse, mit denen wir alle Fixkosten des Unternehmens sowie die Kosten der Projekteentwicklung decken können. Dadurch, dass wir rund 50 Prozent der realisierten Projekte verkaufen und die anderen 50% in unseren Eigenbestand überführen, erhöhen sich die zur Verfügung stehenden Mittel in der Folge laufend und wir können dadurch von Jahr zu Jahr immer mehr Projekte realisieren. Das ermöglicht uns ein jährliches Wachstum von 10-20 Prozent beim Ergebnis vor Steuern ohne das wir auf externes Wachstumskapital angewiesen sind.

Sind die USA und China deutlich besser und unternehmensfreundlicher aufgestellt als die EU, Stichwort Climate Reduction Act in den USA?

In den vergangenen Jahren wurden viele unkluge wirtschaftspolitische Entscheidungen getroffen. Deutschland war einst führend im Bereich der erneuerbaren Energien und das nicht nur beim Ausbau, sondern auch bei der Produktion beispielsweise von Solarmodulen. Heute sind wir in allen Bereichen auf Importe angewiesen. Das versetzt uns in eine hohe Abhängigkeit, wie nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine und die Preisexplosion bei fossilen Energieträgern deutlich gemacht haben. Es müssen jetzt die industriepolitischen Weichen gestellt werden, dass wir die ambitionierten Ausbauziele erreichen und uns nicht von der einen Abhängigkeit wieder in eine neue Abhängigkeit hineinmanövrieren. Entsprechende Vorstöße in der EU und auch in Deutschland sind daher sehr zu begrüßen.

Bildquelle: Finanzen.net

Grüne Aktien erfreuen sich einer großen Nachfrage. Geben Sie uns doch mal ein paar Fundamentaldaten, weshalb Ihre Aktie in jedes grüne Aktienportfolio gehört.

Wir haben am 31. März gerade unsere Ergebnisse für das vergangene Geschäftsjahr 2022 veröffentlicht und die können sich sehen lassen. Unser Ergebnis vor Steuern (EBT) konnten wir trotz eines schwierigen Umfelds auf rund €62,9 Millionen (2021: €44,9 Mio.) steigern. Damit haben wir unsere eigene Ergebniserwartung, ein Zuwachs beim EBT von 10-20 Prozent zu erreichen, sogar noch übertroffen. Das Konzernergebnis erhöhte sich ebenfalls auf insgesamt € 44,5 Millionen (2021: 36,2 Mio.) und in der Folge stieg das Ergebnis pro Aktie auf €3,15 (2021: €2,54). Energiekontor zahlt seit Jahren, regelmäßig und auch in schwierigen Marktzeiten, eine Dividende aus. In diesem Jahr werden wir diese erneut von €0,90 auf €1,00 erhöhen. Mit unserem organischen Wachstumsmodell wachsen wir zudem aus eigener Kraft, Kapitalerhöhungen zur Beschaffung von Wachstumskapital und damit eine Verwässerung von Aktionärinnen und Aktionären, sind bei uns nicht erforderlich. Mit einer gut gefüllten und werthaltigen Projektpipeline von mehr als 10 GW (2021: 8,5 GW) haben wir eine starke Basis und sind sehr optimistisch unseren Wachstumskurs auch in den kommenden Jahren erfolgreich fortzusetzen. 

Energiekontor Aktie

Viele EE Aktien mussten in 2022 große Kursverluste hinnehmen, Sie zu Beginn des Jahres auch, ab März stieg Ihr Wert deutlich. Was waren für Sie die Hauptgründe, weshalb Ihr Kurs im letzten Quartal 2021 und ersten Quartal 2022 Kursverluste hinnehmen musste?

Im Markt herrscht große Unsicherheit über die weitere Entwicklung. Inflation, steigende Zinsen, der Krieg in der Ukraine und die jüngste Krise im Bankensektor sorgen nicht gerade für ein investitionsfreundliches Umfeld. Im Bereich der erneuerbaren Energien sind zudem weiterhin Lieferengpäße und Lieferverzögerungen zu verzeichnen, die durchaus zu zeitlichen Verzögerungen bei Projekten führen könnten. Auch der Zinsanstieg und die höheren Preise für Windenergieanlagen müssen von der Branche gemeistert werden, da hat es sicherlich auch wenig geholfen, dass die Politik eine Sonder-Abgabe auf Strompreise eingeführt hat, mit denen die höheren Kosten hätten abgefangen werden können. Als Energiekontor profitieren wir davon, dass wir seit Jahren konsequent und laufend Effizienzsteigerungen und Kostensenkungsmaßnahmen im Unternehmen umsetzen. Nicht zuletzt unser gutes Ergebnis für das Geschäftsjahr 2022 zeigt, wir sind auf einem guten, nachhaltigen und soliden Wachstumskurs. Und daran beteiligen wir die Aktionärinnen und Aktionäre selbstverständlich mit der Auszahlung einer – erneut erhöhten – Dividende.

Wird das Jahr 2023 ein gutes Jahr für Ihre Aktie und den Windenergie-Markt insgesamt?

Davon bin ich überzeugt. Das hängt aber auch davon ab, ob die Politik nun auch Taten folgen lässt und Maßnahmen beschließt, die eine deutliche Erleichterung und Beschleunigung bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Folge hat. Dann können endlich in kürzerer Zeit mehr Projekte realisiert werden. Auch bei den Preissteigerungen bei Windenergieanlagen und PV- Modulen scheint der Zenit überschritten, hier erwarten wir eine weitere Beruhigung im zweiten Halbjahr 2023. Die Nachfrage nach erneuerbaren Energien-Anlagen dürfte hingegen weiter steigen, in der Folge ist kurzfristig nicht mit einer deutlichen Entspannung bei Lieferzeiten und Verfügbarkeiten zu rechnen, das macht aber auch den Kauf der von uns realisierten und schlüsselfertigen Anlagen weiterhin wirtschaftlich sehr attraktiv.

Welche zeitlichen Anlagehorizont sollten Anleger mitbringen, wenn Sie in Windenergie Aktien wie Ihre investieren?

Erneuerbare Energien sind langfristige Investitionen. Nicht nur die möglichen Laufzeiten moderner Anlagen steigen, auch die Realisierung von Projekten braucht seine Zeit. Ein großen Anteil daran haben dabei leider die stockenden und schleppenden Genehmigungsverfahren. Wer also als Anleger oder Anlegerin von einer gut gefüllten und attraktiven Projektpipeline im Bereich Wind profitieren will, wie wir sie beispielsweise aufgebaut haben, der sollte schon ein mittleren- bis langfristigen Anlagehorizont haben. Aber die Geduld zahlt sich aus, so haben wir gerade unsere Wachstumsstrategie „2023-2028“ veröffentlicht. Die ist ambitioniert, aber erreichbar und wenn uns alles gelingt, dann könnten wir unser Ergebnis vor Steuern in nur fünf Jahren bis Ende 2028 in etwa verdoppeln.

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