Im Interview mit BOERSE-N.de verrät Kristina Jeromin von der Gruppe Deutsche Börse welchen Stellenwert das Thema Nachhaltigkeit für die Deutsche Börse AG hat.
BOERSE-N.de: Stellen Sie uns bitte einmal die Deutsche Börse kurz vor.
KRISTINA JEROMIN: Die Gruppe Deutsche Börse ist eine internationale Börsenorganisation und innovativer Marktinfrastrukturanbieter. Unsere Aufgabe ist es transparente, verlässliche und stabile Märkte zu organisieren. Unsere Geschäftsfelder reichen entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Börsenhandel. Dazu zählen die Zulassung, der Handel, das Clearing und die Verwahrung von Finanzinstrumenten, die Bereitstellung von Marktdaten sowie das Management von Sicherheiten und Liquidität. Als Technologieunternehmen entwickelt die Gruppe darüber hinaus moderne IT-Lösungen und bietet weltweit IT-Services an. Der Unternehmenssitz ist am Finanzplatz Frankfurt/Rhein-Main, mit rund 6.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind wir an 41 Standorten weltweit präsent.
Wie ist die Deutsche Börse in Sachen Nachhaltigkeit aufgestellt?
Zum einen sind wir selbst ein börsennotiertes Unternehmen, transparentes Reporting ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema. Wir berichten integriert, d. h. inklusive den sog. nicht-finanziellen Informationen. Damit können wir einen fundierten Überblick darüber geben, wie wir bezüglich unserer eigenen Nachhaltigkeitsleistung aufgestellt sind. Ein unternehmensweites Group Sustainability Board analysiert fortlaufend, welche Themen für uns besonders bedeutend sind und wesentliche Auswirkungen auf unser Business haben. Wir besprechen dort auch, wie und in welchen Geschäftsbereichen wir Nachhaltigkeitsaspekte integrieren können.
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Als Kapitalmarktorganisator sehen wir es als eine unserer zentralen Aufgaben an, Transparenz und Standardisierung im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte in unseren Märkten voranzutreiben. Wir unterstützen beispielsweise die bei uns gelisteten Unternehmen dabei, Nachhaltigkeitsthemen in ihre Kapitalmarktkommunikation einzubauen. Diese Informationen stellen wir dann Investorinnen und Investoren auf unserem Nachhaltigkeitsportal zur Verfügung. Neben diesem Service bieten wir außerdem ein breites Portfolio an nachhaltigen Produkten an und bringen uns in regulatorische Diskussionen ein. Gemeinsam mit dem hessischen Wirtschaftsministerium haben wir das „Green and Sustainable Finance Cluster Germany“ gegründet und arbeiten hier mit anderen Akteuren der Branche daran, nachhaltige Finanzmarktstrukturen zu etablieren.
Nachhaltige Aktienfonds sollen laut einer Scope Analyse besser durch die Corona-Krise kommen. Was glauben Sie, warum ist das so?
Nachhaltigen Anlagestrategien liegt ein ganzheitlicheres Risiko- und Chancenmanagement zugrunde. Sie beschränken sich nicht nur auf die Analyse der klassischen Finanzkennzahlen, sondern berücksichtigen zusätzlich wesentliche Informationen zu Nachhaltigkeitsthemen. Einerseits ermöglicht die Integration so genannter ESG-Aspekte (Environmental, Social, Governance) Investoren eine fundierte Basis für eine mittel- bis langfristige Prognose, was die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen angeht. Andererseits können Unternehmen, die diese Kennzahlen erheben, ihre eigenen Wertschöpfungs- und Lieferketten viel präziser und zukunftsgerichteter steuern. Ein solch umfassendes Risikomanagement schlägt sich dann in Krisensituationen, wie wir sie aktuell sehen, in einer erhöhten Resilienz von Geschäftsmodellen positiv nieder. Die Herausforderungen in der Bekämpfung des Klimawandels und der Corona-Pandemie weisen viele Gemeinsamkeiten auf: Höhere Transparenz, langfristig angelegte Unternehmensstrategien und die konsequente Einpreisung externer Kosten sind maßgebliche Leitlinien für ein zukunftsfähiges Handeln – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene.
Welche Produkte hat eigentlich die Deutsche Börse im Angebot und wer ist Ihre Zielgruppe?
Als Finanzdienstleister bieten wir ein eigenes ESG-Service und -Produktportfolio. Dies umfasst mittlerweile über 100 ESG-Indizes. Dazu zählen eine ausgewiesene Low Carbon-Indexfamilie, die sich aus Daten des Carbon Disclosure Projects (CDP) zusammensetzt, oder der kürzlich gestartete DAX 50 ESG-Index. Die Deutsche Börse hat mittlerweile eine Reihe von ESG-Derivaten eingeführt, die beispielsweise auf den hochliquiden europäischen STOXX®-Benchmarks Euro STOXX 50 (FESX) und STOXX Europe 600 (FXXP) für ESG-Exklusionen, Low Carbon und Climate Impact basieren. Sie richten sich an Marktteilnehmer, wie beispielsweise Banken, die ESG-getriebenes Asset Management betreiben.
Nachhaltige Fonds werden oftmals auch kritisch beäugt, zu Recht?
Zum einen hält sich hartnäckig das Vorurteil, dass nachhaltige Finanzprodukte weniger Rendite erzielen. Dies ist inzwischen nicht nur in zahlreichen wissenschaftlichen Studien widerlegt, sondern auch zu kurzfristig gedacht. Die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsinformationen ermöglicht ein verbessertes Risikomanagement. Dies schlägt sich auch in der finanziellen Performance nieder. Zum anderen hat auch „Greenwashing“ dazu geführt, den Ruf nachhaltiger Finanzprodukte zu beschädigen. Hier wird Investoren ein falsches Bild vermittelt und nicht transparent gemacht, welche Nachhaltigkeitskriterien in welcher Form berücksichtigt werden. Auch die Vergleichbarkeit von nachhaltigen Finanzprodukten ist nach wie vor schwierig. Um dieses Problem anzugehen, müssen einheitliche und verlässliche Standards entwickelt werden. Hier hat die Europäische Union im Rahmen des EU Action Plan on Sustainable Finance viel dazu beigetragen, diese Entwicklung voranzutreiben. Es ist wichtig, dass Deutschland diese Bemühung jetzt gerade vor dem Hintergrund der EU-Präsidentschaft stützt und weiter ausbaut.
Wie können Anleger in Deutschland nachhaltige Aktien finden und bei der Recherche vorgehen?
Über das Portal der Börse Frankfurt werden kostenlose Nachhaltigkeitsdaten sowie eine Übersicht zu allen handelbaren nachhaltigen Aktien, ETFs, Fonds und Zertifikate bereitgestellt. Hier finden Anleger z. B. auch eine Übersicht zu aktuell rund 150 Anleihen, die die Green Bond Principles der International Capital Markets Association erfüllen. Sie notieren an verschiedenen europäischen Börsen und sind auch in Frankfurt handelbar. Grundsätzlich muss aber das Thema Transparenz rund um nachhaltige Geldanlagen, gerade für Privatanleger, noch stärker in den Blickpunkt rücken.
Welche Rolle wird das Thema Nachhaltigkeit für die Deutsche Börse in Zukunft konkret spielen?
Zum einen arbeiten wir natürlich kontinuierlich daran, Nachhaltigkeit noch stärker in den einzelnen Geschäftsbereichen zu integrieren und unser Angebot an nachhaltigen Services und Produkten auszubauen. Auch durch unser Engagement in der Finanzindustrie werden wir das Thema im engen Austausch mit Realwirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft weiter vorantreiben – mit dem Ziel, Sustainable Finance in der Breite des Kapitalmarktes zu verankern.
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