Nachhaltige Geldanlage bei Stiftungen

Bild: BVDS David Ausserhofer

Stiftungen verwalten in der Regel viel Kapital, doch wie legen sie dieses an, welche Rolle spielt hierbei die Nachhaltigkeit? Das wollten wir von Dr. Verena Staats, Leiterin Recht und Vermögen beim Bundesverband Deutscher Stiftungen wissen.

BOERSE-N.de: Was ist die Aufgabe des Bundesverband Deutscher Stiftungen?

Bild: BVDS David Ausserhofer

DR. VERENA STAATS: Der Bundesverband ist seit 1948 unabhängiger Dachverband und Interessenvertretung der Stiftungen und feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Jubiläum.

Er vertritt die Interessen der deutschen Stiftungen gegenüber Politik und Gesellschaft. Mit über 4.800 Mitgliedern ist er der größte und älteste Stiftungsverband in Europa. Über Stiftungsverwaltungen sind ihm weitere 9.800 Stiftungen mitgliedschaftlich verbunden. Der Bundesverband setzt sich für optimale Rahmenbedingungen für das Stiften und für das Wirken von Stiftungen ein und unterstützt seine Mitglieder sowie Stifterinnen und Stifter insbesondere durch Beratung und Vernetzung in ihrer Arbeit.

Der Bundesverband stärkt Stifterinnen und Stifter auf ihrem Weg zur eigenen Stiftung und unterstützt seine Mitglieder im Stiftungsalltag, beispielsweise mit persönlicher (juristischer) Beratung und vielfältigen Informations- und Vernetzungsangeboten.

Wie viele Stiftungen gibt es in Deutschland und wie viel Kapital wird dort verwaltet?

In Deutschland gibt es 25.254 rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts (Stand 2022). Hinzu kommen zahlreiche Treuhandstiftungen, Stiftungs-GmbHs und Stiftungs-Vereine. Es ist schwer, verlässliche Abgaben über die Höhe des Gesamtvermögens der deutschen Stiftungen zu machen. Wir als Bundeserverband Deutscher Stiftungen veröffentlichen zwar seit mehr als 20 Jahren Statistiken zum deutschen Stiftungswesen. Unsere Angaben gehen aus Finanzdaten hervor, die Stiftungen selbst im Rahmen von Geschäfts- und Jahresberichten, Jahresabschlüssen, Bilanzen oder unmittelbar auf ihren Webseiten veröffentlicht haben sowie aus schriftlichen Befragungen der Stiftungen. Aufgrund Heterogenität und Freiwilligkeit der Angaben können wir keine verlässliche Größe für das insgesamt verwaltete Stiftungsvermögen in Deutschland benennen.

Welche nachhaltigen Kriterien haben Stiftungen bei der Geldanlage?

Grundsätzlich sind Stiftungen frei in der Vermögensanlage, sie müssen dabei aber selbstverständlich die stiftungsrechtlichen und gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben beachten.  Daher ist bei der Vermögensverwaltung einer Stiftung vornehmlich der Stifterwille zu beachten, konkrete gesetzliche Vorgaben für die Anlage von Stiftungsvermögen gibt es dagegen nicht. Herauszuheben ist aber das sogenannte Grundstockvermögen, da für dieses der Grundsatz der Kapitalerhaltung gilt. Der Stifter kann hierzu konkrete Vorgaben machen, wie das Kapital zu erhalten ist. Aus dem Steuerrecht ergeben sich grundsätzlich keine besonderen Vorgaben für die Vermögensanlage, es sind aber vor allem die Grundsätze des Gemeinnützigkeitsrechts zu beachten. So darf mit Blick auf den Grundsatz der ordnungsgemäßen Geschäftsführung eine Stiftung etwa nicht ihr Vermögen fast ausschließlich in unsichere Darlehen nicht zahlungskräftiger Unternehmen investieren.

Dementsprechend wird man eine Pflicht zur Nachhaltigkeit bei der Vermögensanlage nicht konstatieren können, da es ausreicht, dass die Stiftung ihr Kapital erhält und ausreichend Erträge zur Verwirklichung ihrer gemeinnützigen Zwecke erwirtschaftet. Gleichwohl entschließen sich vermehrt Stiftungen dazu, im Rahmen der komplexen Vermögensanlage die konkurrieren Ziele der Sicherheit, Rendite, Liquidität um das Ziel der Nachhaltigkeit der Vermögensverwaltung und Anwendung von ESG-Kriterien bei ihrer Vermögensanlage zu erweitern.

Passiert bei diesem Thema gerade viel, sprich wurde bisher nicht so sehr auf Nachhaltigkeit bei der Geldanlage geachtet? Geben Sie uns bitte einen Einblick in die Entwicklungen

Staats: Allgemein lässt sich ein Trend zur nachhaltigen Vermögensanlage oder auch ESG Investments feststellten, da er auch vor den Stiftungen nicht Halt macht. So greifen wir als Verband das Thema seit über 10 Jahren immer wieder auf, in dem wir Befragungen unserer Mitglieder durchführen oder Informationsmaterial erstellen. Auch die weiteren Formen des zweckbezogenen Investierens wie das Mission Investing und das Impact Investing werden, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, von den Stiftungen angefragt.

Trotzdem müssen wir immer noch feststellen, dass es bei vielen Stiftungen im Bereich der Vermögensverwaltung noch Professionalisierungspotenzial gibt und das Thema nachhaltige Anlagen nicht im Zentrum steht. Hier geht es vor allem darum, Fragen der Vermögensverwaltung erst einmal stärker zu fokussieren, damit sich die Stiftung zunächst zum Beispiel Anlagerichtlinien gibt. In diesem Rahmen ist es dann natürlich möglich, Nachhaltigkeitsaspekte einfließen zu lassen und für sich als Stiftung zu definieren, was man unter Nachhaltigkeit verstehen möchte (z.B. Ausschlusskriterien/ESG-Stufen, Impact Investing etc.). 

Bild: BVDS David Ausserhofer

Welche Stiftungen haben sich nachhaltigen Themen bzw. einem nachhaltigen Zweck verschrieben?

Staats: Nachhaltigkeit ist ein sehr breiter Begriff, der viele Stiftungszwecke in sämtlichen Facetten umfassen kann. Beispielsweise engagiert sich der ehemalige Fußballprofi Neven Subotic heute mit seiner Stiftung, um Menschen in den ländlichen Regionen Ostafrikas mit sauberem Trinkwasser zu versorgen.

Die Veolia Stiftung fördert Projekte und Organisationen, die eine nachhaltige Entwicklung voranbringen. Ihre Mission ist es, zur Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele beizutragen.

Die Hermann-Gmeiner-Stiftung investiert in “grüne” Projekte der SOS-Kinderdörfer in Afrika. Dort wird etwa Wissen zum Umweltschutz vermittelt und die Einführung innovativer Technologien vorangetrieben.

Die Siemens Stiftung engagiert sich in der Entwicklungsarbeit in Kenia mit dem Ziel, Menschen auf ihrem Weg zu Wachstum und wirtschaftlicher Eigenständigkeit zu begleiten.

Oder die Fraunhofer-Zukunftsstiftung, die sich bei der Auswahl ihrer Förderprojekte an den „Sustainable Development Goals“ (SDGs) der Vereinten Nationen orientiert.

Sind Ihnen Ausschlusskriterien im Bezug auf Nachhaltigkeit bei der Geldanlage bekannt und wenn ja, welche?

Staats: Es gibt durchaus Stiftungen, die sich von ihren Vermögensverwaltern Spezialfonds mit entsprechenden Ausschlusskriterien auflegen lassen, man kann sich aber auch das Portfolio von den Vermögensverwaltern oder speziellen Dienstleistern nach entsprechenden Kriterien durchleuchten lassen oder in Publikumsfonds investieren, die sich einem „Nachhaltigkeitskonzept“ verschrieben haben. Je höher das Anlagevolumen ist, desto höher dürfte Individualität bei der Auswahl der Kriterien ausfallen. Bekannte Ausschlusskriterien sind etwa die Geschäftsfelder Alkohol, Atomenergie, Biozide, Embryonenforschung, Grüne Gentechnik, Rüstung, Tabak sowie nicht akzeptable Geschäftspraktiken wie Arbeitsrechtsverletzungen, Kinderarbeit, kontroverses Umweltverhalten oder Tierversuche.

Und spielt die Profitabilität bei Stiftungen eine größere Rolle als nachhaltige Aspekte?

Staats: Wie bereits oben geschildert, trifft jede Stiftung höchst individuell ihr Anlageentscheidung, die gilt auch für die Entscheidung, ob die Ziele der Sicherheit, Rendite und Liquidität um das Ziel der Nachhaltigkeit erweitert werden.

Noch mehr Beiträge und Interviews zum Thema nachhaltige Geldanlage

DER NACHHALTIGE GELDANLAGE NEWSLETTER VON BOERSE-N.DE

Der BOERSE-N-Newsletter ist der Newsletter zum Thema nachhaltige Geldanlage. Er informiert dich über alle wichtigen News rund um die Themen nachhaltige AktienFondsAnleihenBanken und was sonst noch zum Großthema nachhaltige Geldanlage dazugehört. 

Abonniere jetzt kostenlos unseren Newsletter und sei immer up to date!

×