Wann ist ein Nachhaltigkeitsfonds wirklich nachhaltig?

Diese Frage und noch einige mehr zum Thema nachhaltige Geldanlage haben wir im Interview Prof. Maximilian Gege, Gründer und Geschäftsführer der Green Growth Futura, gestellt.

BOERSE-N.de: Herr Prof. Gege, Sie sind Gründer und Geschäftsführer der Green Growth Futura, einer Ausgründung des gemeinnützigen B.A.U.M. e.V. Erzählen Sie unseren Usern*innen doch einmal ein bisschen etwas über Ihren beruflichen Weg.

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PROF. DR. MAXIMILIAN GEGE: Der im Jahre 1984 von mir mitgegründete Bundesdeutsche Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) e.V. ist heute mit mehr als 500 Mitgliedsunternehmen das größte Unternehmensnetzwerk für nachhaltiges Wirtschaften in Europa. Als ein seit mehr als dreieinhalb Jahrzehnten engagierter Umweltaktivist steht es für mich außer Frage, dass Innovationsschübe beim umweltfreundlichen und enkeltauglichen Wirtschaften vor allem vom Mittelstand ausgehen. Gerade innovative und wachstumsstarke mittelständische Unternehmen – zu Recht als „Rückgrat“ der Wirtschaft bezeichnet – sind heute mehr denn je Vorreiter der sozial-ökologischen Transformation und stehen für die Verträglichkeit von Ökonomie und Ökologie. Aus dieser Tatsache entsprang der Gedanke, nachhaltig wirtschaftende Mittelständler mit zukunftsfähigen Geschäftsmodellen und glaubwürdigen Nachhaltigkeitszielen in einem Aktienfonds zusammenzubringen. Auf dieser Grundlage habe ich im Jahre 2017 Green Growth Futura gegründet und gemeinsam mit der GLS Bank den B.A.U.M. Fair Future Fonds (ISIN DE000A2JF709 / WKN A2JF70) ins Leben gerufen.

Lies auch das Interview nachhaltige Geldanlage mit der GLS Bank

Sie sind auch Bundesverdienstkreuzträger und seit mehr als drei Jahrzehnten ein wichtiger öffentlicher Akteur im Bereich Nachhaltigkeit und nachhaltige Finanzanlagen. Welchen Einfluss möchten Sie aktuell auf das Thema nachhaltige Geldanlage persönlich nehmen?

Für die wirtschaftliche Wiederbelebung nach der Corona-Krise habe ich mit B.A.U.M. einen ehrgeizigen, aber dringend erforderlichen Zukunfts- und Klimaplan für Deutschland und Europa entwickelt. Mit diesem Aktionsplan wollen wir den Green Deal der EU massiv unterstützen und finanziell flankieren. Geschätzt mehr als 2.500 Milliarden Euro liegen derzeit faktisch unverzinst auf deutschen Spar- und Festgeldkonten, ein Vielfaches dieser Summe in den anderen EU-Ländern. Durch die Inflationsrate in Verbindung mit dem Nullzins verlieren diese Spareinlagen Jahr für Jahr real an Wert. Der Zukunfts- und Klimaplan von B.A.U.M. zeigt auf, wie für die nachhaltige Neuausrichtung der Wirtschaft in Deutschland 200 Milliarden Euro und EU-weit 800 Milliarden Euro bereitgestellt werden könnten. Statt der Finanzierung durch Steuergelder oder durch Neuverschuldung wäre es zielführend, wenn die deutschen und europäischen Sparer*innen lediglich wenige Prozent ihres privaten Sparvermögens für einen zukunftsweisenden Fonds bereitstellen würden. Im Gegenzug würden sie mit einer Rendite von 4 Prozent finanziell belohnt werden und könnten damit zu ihrem privaten Vermögensaufbau und zur eigenen Altersvorsorge beitragen. Die 4 Prozent Rendite könnte problemlos durch die mit den Fondseinlagen geförderten Maßnahmen refinanziert werden, da diese durch den verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien und Ressourcen-Effizienz-Maßnahmen massive Kosteneinsparungen ermöglichen. Gleichzeitig könnte ein immens wichtiger Beitrag für den Umwelt- und Klimaschutz geleistet werden. Im Ergebnis eine echte Win-win-Strategie für Sparer*innen, Staat und Unternehmen.

Stellen Sie doch bitte einmal das Nachhaltigkeitskonzept des B.A.U.M. Fair Future Fonds vor.

Der B.A.U.M. Fair Future Fonds ist ein globaler Aktienfonds mit einem konsequent nachhaltigen Portfolio. Das Anlageuniversum umfasst primär kleine und mittelständische Unternehmen (Small und Mid Caps). Jeder Emittent durchläuft einen umfassenden und strengen Prüf- und Bewertungsprozess, der eigens von Green Growth Futura entwickelt wurde. Die finale Entscheidung über das Anlageuniversum des B.A.U.M. Fair Future Fonds obliegt jedoch ausschließlich dem Nachhaltigkeitsbeirat. Dieses interdisziplinär zusammengesetzte Gremium aus ausgewiesenen Nachhaltigkeitsexperten entscheidet unabhängig und transparent über die Aufnahme oder Ablehnung der einzelnen Aktien-Emittenten.

Wie kann die Nachhaltigkeit eines Fonds zutreffend und transparent beurteilt werden? Oder anders gefragt: Wann ist ein Nachhaltigkeitsfonds wirklich nachhaltig?

Grundlage für die Bewertung der Nachhaltigkeit eines Fonds ist ein ganzheitlicher Prüf- und Bewertungsprozess, der glaubwürdig und transparent sämtliche Aktivitäten eines Unternehmens auf deren Nachhaltigkeitswirkung hin beleuchtet. Die ausschließliche Anwendung von Ausschlusskriterien oder von Positivkriterien, die öfters auch wolkige Allgemeinplätze wiedergeben, ist aus unserer Sicht nicht ausreichend. Ebenso wenig akzeptabel ist die einseitige Anwendung von Best-in-Class-Verfahren, die ja gerade bei vermeintlich grünen und ESG-Fonds stark verbreitet sind, allerdings in vielen Fällen zu wenig über die tatsächliche Wirkung der Nachhaltigkeitsbestrebungen aussagen.

Was steckt wirklich in ESG-Fonds und wie nachhaltig sind die Portfolios?

Ein und derselbe „Nachhaltigkeitsfonds“ kann von zwei Ratinganbietern höchst unterschiedliche Nachhaltigkeitsbewertungen erhalten. Dies verunsichert die bewerteten Unternehmen und ermöglicht leider keine klare Transparenz. Meistens ist schon ein kurzer Blick in die Top-Positionen des Portfolios aufschlussreich, findet man dort leider allzu oft die besonders klimaschädlich wirtschaftenden, globalen Großkonzerne, die eigentlich in einem wirklich nachhaltigen Portfolio nicht positioniert sein sollten. 

Warum ist es für Anleger so schwer, das richtige nachhaltige Produkt zu finden?

Selbst Experten können den Markt der nachhaltigen Fonds nur mit Mühe überblicken, privaten Anleger*innen dagegen fehlen oft die nötigen Informationen, das Finanzwissen und die Zeit, um über diesen boomenden Markt und seine Anbieter im Bilde zu sein. Nachhaltigkeit ist in der Fondsbranche zu einem dominierenden Trend geworden, von dem viele Anbieter profitieren wollen und deshalb entsprechende Produkte mit „grünem Anstrich“ auf den Markt bringen. Es fehlen jedoch bis heute klare Standards und Regularien, aber oft auch der Wille, diese in die Tat umzusetzen.

Warum werden viel zu oft nachhaltige Investments von Beratern und Vermittlern empfohlen, die es bei genauerem Hinsehen gar nicht sind?

Auch Berater und Vermittler sind per se keine Nachhaltigkeitsexperten und ihrerseits oft auf die Informationen und Marketingmaterialien angewiesen, die ihnen von den Anbietern zur Verfügung gestellt werden. „Auf grün“ getrimmte Webseiten und Hochglanzbroschüren erleichtern das Beratungsgespräch und die Verkaufsargumente werden ja ohnehin vom Fonds-eigenen ESG-Research-Team geliefert. Doch ein Research, das dem eigenen Fonds die Nachhaltigkeit bescheinigt, kann nicht generell unabhängig und objektiv sein. Seitens der Anleger*innen sollte das kritische Bewusstsein weiterentwickelt werden, damit kritische und konstruktive Fragen gestellt und adäquate Antworten entsprechend zu einer Anlageentscheidung führen.

Was sind Ihre Zukunftsthemen und wo soll sich der B.A.U.M. Fair Future Fonds noch hin entwickeln?

Zu den großen Fragen unserer Zeit gehören ohne Zweifel an erster Stelle der Klimawandel und der dadurch zwingend notwendige Kampf gegen die Klimaerwärmung durch Dekarbonisierung. Auch der Erhalt der Biodiversität spielt eine immer wichtigere Rolle und ist ebenfalls ein konkretes Investmentkriterium des B.A.U.M. Fair Future Fonds, wie auch die Bereiche der nachhaltigen Mobilität, Stadtentwicklung, Bio-Chemie, Gesundheit, Ernährung, nachhaltige Landwirtschaft oder auch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Nachhaltigkeit muss konkrete Ziele erfüllen. Dieser Forderung wollen wir Rechnung tragen und daher dem dokumentierten Nachweis eines unternehmensspezifischen Impacts auch im Prüf- und Bewertungsprozess des B.A.U.M. Fair Future Fonds einen noch größeren Wert beimessen.

Hör dir hier den BOERSE-N.de-Podcast an.

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